Archäologie in Rheinhessen und Umgebung e.V.

Fund des Monats - Juli

Neues zu den Trinkgewohnheiten der Kelten in der Pfalz, oder: das „Widderkopfmännchen“ vom spätkeltischen Donnersberg

Es war ein viel versprechender Einstieg in eine neue Aufgabe, als der ehrenamtliche Mitarbeiter Heiko Scheuermann bei seiner ersten offiziellen Begehung des spätkeltischen Oppidums auf dem Donnersberg (ca. 130 – 60/50 v. Chr.) einen kleinen Bronzegegenstand fand, von dem er mir als der zuständigen Archäologin sofort per Mail aufgeregt berichtete. Wenige Tage später war der Fund bereits in der Restaurierungswerkstatt der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Speyer, angekommen, wo er vorsichtig konserviert wurde. Es handelt sich dabei um eine kleine, 3 cm lange konische Bronzetülle, an deren unterem, breiteren Ende an der linken Seite noch die obere Hälfte eines exakt runden Loches erkennbar ist – die andere Seite ist in diesem Bereich bereits ausgebrochen. Tüllen als Möbelbesätze, Zierteile oder ähnliches sind nicht unbekannt in der keltischen Welt – doch das Besondere an dieser Bronzetülle ist sein figürlich gestalteter oberer Abschluss. Auf der einen Seite schaut den Betrachter ein menschliches Gesicht mit grimmig verzogenem Mund, großen, tief liegenden, aber herausgewölbten Augen und kleiner Nase an; auf der Stirn trägt dieses maskenartig gestaltete Gesicht einen einfachen Reif. Dem starren, eindrücklichen Gesichtsausdruck kann sich der Betrachter kaum entziehen. Über und hinter der menschlichen Maske sitzt ein voll gegossener Widderkopf mit zwei geschwungenen und wohl ursprünglich wieder nach vorne gedrehten Hörnern. Eines davon ist kurz hinter der Windung, das andere bereits im Ansatzbereich abgebrochen. Das linke Auge des Widders ist im Guss nicht richtig gekommen und nur als schwache Delle erkennbar. Insgesamt verweist die gesamte figürliche Ausgestaltung des Endbeschlages darauf, dass hier sicherlich nicht einer der „Großmeister keltischer Kunst“ am Werke war – aber doch ein Bronzekünstler mit ganz eigenen Ideen.

Die Zweckbestimmung dieses einzigartigen Fundstückes ist aufgrund der konischen Tüllenform, des Nietloches und der figürlichen Verzierung eindeutig festzulegen: Es handelt sich um einen Trinkhorn-Endbeschlag. Die Sitte, Rinderhörner vom innen sitzenden Zapfen zu befreien und das so entstehende Horn als Trinkgefäß zu nutzen, reicht bereits bis in die Bronzezeit zurück. Während am Ende der Frühlatènezeit die Nutzung von Trinkhörnern – bei feierlichen Anlässen und Gelagen – langsam „aus der Mode“ kam, wurde diese in der Spätlatènezeit wieder aufgenommen. Aus dem großen Oppidum von Manching kennen wir eine ganze Reihe von Trinkhornendbeschlägen, die allerdings jegliche figürliche Zier vermissen lassen – am Ende der Bronzetülle sitzt in der Regel ein knopfartig gestalteter Abschluss. Aus der spätkeltischen Welt ist bislang kein dem „Widderkopfmännchen“ – so wurde der Beschlag unverzüglich von der Lokalpresse betitelt – vergleichbarer Endbeschlag bekannt. Dieser einzigartige Fund vom keltischen Donnersberg wirft ein Schlaglicht auf die herausragende Stellung dieser spätkeltischen Stadtanlage und vermittelt eine Ahnung vom individuell geprägten Kunstschaffen der Kelten in unseren Breiten.

 

Copyright der Abbildungen:

GDKE Rheinland-Pfalz
Direktion Landesarchäologie - Speyer


Dr. Andrea Zeeb-Lanz
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
Direktion Landesarchäologie
Außenstelle Speyer
Kleine Pfaffengasse 10
67346 Speyer
andrea.zeeb-lanz@gdke.rlp.de

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